Überfordert der Tourismus die Stadt?

Ein Beitrag im Deutschlandradio Kultur vom 3.9.2013 hat die Diskussion wieder aufgefrischt, ob Bamberg unter dem regen Zuspruch seiner Gäste nicht mehr leidet als es profitiert.

Lesen Sie den Beitrag im Manuskript  oder hören Sie rein: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/laenderreport/2236692/#oben

Wir sind der Meinung: Bamberg gewinnt durch den Zuspruch von Gästen aus aller Welt an Attraktivität, an Atmosphäre und an Lebendigkeit!

Wir wehren uns gegen die undifferenzierte Verunglimpfung unserer Gäste, die mit grölenden kulturfernen Komasäufern, mit häuserschädigenden Touristenbussen und lemmingartig einfallenden wilden Horden gleichgesetzt werden.

Gerade das Jahr der Landesgartenschau 2012 mit Zuwachsraten von 11,5 Prozent hat doch gezeigt, wie fröhlich die Atmosphäre in diesem Ausnahmejahr trotzdem war, wie Einzelhandel und Gastronomie belebt waren und die Bürger und Bürgerinnen unserer Stadt in der Rolle der aufgeschlossenen, weltoffenen und stolzen Gastgeber brilliert haben. Heuer werden sich die Zahlen wieder auf dem Niveau von 2011 einpendeln, so dass sich hier eine deutliche Konsolidierung zeigt.

Dominikanerstraße und Sandstraße am Abend

Dominikanerstraße und Sandstraße am Abend

Bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen, wie sie im Beitrag aufgezeigt werden, lassen sich mit oder ohne Touristen nicht mehr aufhalten.
Die Blütezeit der Tante Emma-Läden ist nun einmal vorbei, das kann man doch den Touristen nicht anlasten. Den Trend vornehmlich junger Nachtschwärmer, immer später aus dem Haus zu gehen, daheim vorzuglühen und am Ende der Nacht stark alkoholisiert zu sein, kann man doch nicht den Touristen anlasten. Und die Touristenbusse, die neben dem hervorragenden Angebot der öffentlichen Busse, dem Lastwagenverkehr und dem überproportional zunehmenden Lieferverkehr nur einen Teil der Gesamtbelastung stellen, kann man diesen doch nicht alleine anlasten. Außerdem: Wer sind denn die jungen Leute, die nachts in der Sandstraße feiern? Bestimmt nicht das Ehepaar Haasepieper aus Hamburg, die in Bamberg drei Tage Kultur genießen wollen. Bestimmt auch nicht die Familie Meyer aus Düsseldorf, die zum Radlurlaub nach Bamberg gekommen sind.

Wieso nehmen denn, wie im Beitrag erwähnt, so viele Bamberger die Mühen und finanzielle Belastungen auf sich und renovieren aufwändig ihre Altbauten? Weil die Stadt attraktiv ist, lebendig und für die Zukunft gut aufgestellt.

Was wäre denn die Alternative zu einer belebten Stadt?
Wir alle kennen solche Städte: Die Tristesse regiert, gähnend leere Fußgängerzonen mit hohem Leerstand neben Geschäfteeinheitsbrei und Ein-Euro-Shops, Innenstädte, die der Teufelskreis von sinkender Attraktivität und sinkender Kaufkraft fest im Griff hat.

Natürlich kann es nicht sein, dass die Anwohner immer den Kürzeren ziehen und unter den Vergnügungsmeilen leiden, aber diesen Missstand den Gästen unserer Stadt anzulasten, ist schlichtweg diskriminierend und falsch.

Der TKS hat sich in den letzten Jahren mit großem Erfolg verstärkt darum bemüht, den Besuchern Areale nahe zu bringen, die nicht im Kern der Bergstadt liegen. Die Gärtnerstadt ist ein solches Beispiel, die Altenburg und das Klostergelände St. Michael. Nicht zuletzt die Kooperation mit dem Landkreis und die verstärkte Vermarktung des Bamberger Landes hat den Radius der besuchten Sehenswürdigkeiten deutlich ausgeweitet.

Schlafende Jünger im Diözesanmuseum

Schlafende Jünger im Diözesanmuseum

Ja, Missstände müssen angegangen werden, atmosphärische Störungen im Zusammenleben von Bürgern und Gästen müssen ernst genommen werden, aber gleichzeitig sollten wir die Kirche im Dorf lassen und lebendige Vielfalt nicht als den Anfang vom apokalyptischen Ende des Welterbes missinterpretieren. Ein bisschen mehr freundliche Gelassenheit, wie wir sie uns auch im Urlaub von unseren Gastgebern wünschen, würde zur Entspannung beitragen. Seine eigene Stadt schlecht zu reden kann nämlich auch schnell zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Und das kann nun wirklich niemand wollen, oder?

2 Gedanken zu “Überfordert der Tourismus die Stadt?

  1. Wer spricht denn hier die eigene Stadt schlecht?! Davon kann in dem Beitrag des Deutschland-Radios doch keine Rede sein. Im Gegenteil. Dort setzt man sich sehr differenziert mit der jetzigen Situation auseinander und erklärt seine Sorge gegenüber drohenden Entwicklungen, die sich nur noch schwer lenken lassen.

    Niemand macht den Touristen, die in diese Stadt kommen, einen Vorwurf. Wie heißt es so schön in dem Beitrag? „Da sind wir schon Bamberger. (…) Wir sind schon gesellige Leute, da rücken wir ein wenig zusammen. (…)“ Der Vorwurf ist aber gerne an jene Ortsansässigen zu richten, die sich auf Kosten der eigenen Bevölkerung, um des reinen Profit willens, ausbreiten, die Gastro- und Einzelhandelsszene einebnen, kulturelle Veranstaltungen ohne Wenn und Aber in die Innenstadt holen oder fragwürdige Konzepte anderer Art, mit dem Ziel der städtischen Vermarktung, hervorholen. Konzepte, die zur Folge haben, dass sich der Bamberg-Besucher tatsächlich nur zwischen Dom und Schlenkerla bewegt, wie es Landeskonservator Egon Johannes Greipl in dem Beitrag so treffend formuliert.

    Und Greipl hat auch in anderer Hinsicht Recht, wenn er betont, dass es immer wieder einzelne Bamberger oder Bamberger Gruppierungen waren und sind, die seit vielen Jahren dafür sorgen, dass in gewissen Bereichen eine Art gesunde Entschleunigung eintritt, beispielsweise in der Gärtnerstadt, durch die „Sturheit der Bamberger Gärtner“, denen es zu verdanken sei, dass „die Struktur des Gärtnerviertels weitgehend erhalten“ blieb.

    Wenn Sie Folgendes schreiben: „Wieso nehmen denn, wie im Beitrag erwähnt, so viele Bamberger die Mühen und finanzielle Belastungen auf sich und renovieren aufwändig ihre Altbauten? Weil die Stadt attraktiv ist, lebendig und für die Zukunft gut aufgestellt.“, dann sehe ich das genau anders, und die Betroffenen werden mir Recht geben: Nicht „weil“ die Stadt attraktiv ist, sondern „damit“ sie attraktiv bleibt, nehmen die Bamberger viele Hürden auf sich, auf die eigene Kappe, auf das eigene Konto. Für ihre eigenen Bürger macht die Stadtverwaltung nämlich in der Tat zu wenig. Es ist dem Idealismus weniger Einzelner zu verdanken, dass wir hier noch Lebensqualität haben. Egal, ob mit oder ohne Touristen.

  2. Ich gebe Ihnen völlig Recht, wenn Sie sagen, dass die idealistischen, engagierten Bürger großen Anteil daran haben, diese Stadt so lebendig und schön zu halten. Nur so bleiben die Steine lebendig, nur so wird Bamberg eben nicht zum Museum, sondern bleibt eine Stadt, in der man gerne lebt und arbeitet und auch seine Freizeit verbringt. Es ist sicherlich beides: Menschen nehmen Geld in die Hand, um die Stadt und ihre Häuser instand zu halten, tun dies aber eben auch in dem Wissen, dass sie damit in die Zukunft investieren, weil der Standort hervorragend ist.

    Sie müssen verzeihen, wenn wir mit unserer Replik vorwiegend den Blick auf die Gäste unserer Stadt haben. Und da sehe ich schon eine Tendenz in dieser Diskussion – das ist ja nicht der erste Beitrag dieser Art – der den Gästen einseitig anlastet, dass ihre Präsenz alles Schlechte hervorbringt und sie – zumindest in der Menge – in Bamberg nicht willkommen sind.
    Verschiedene Wortbeiträge, wie zum Beispiel der von Frau Heucken gehen sehr stark in diese Richtung.
    Und das finde ich, trifft so gar nicht das Lebensgefühl der Bamberger, wie Sie auch schon so schön hervorheben: „da rücken wir eben ein wenig zusammen…“

    Wir vom Tourismus Service verfolgen seit Jahren den Ansatz, den Besuchern auch die Areale nahezulegen, die nicht nur zwischen Dom und Schlenkerla liegen – mit großem Erfolg, wie wir feststellen können. Dennoch werden wir nicht verhindern können, dass die Menschen dennoch auch noch einmal im Rahmen ihres Aufenthaltes sich zwischen Dom und Schlenkerla bewegen – ist ja nun einmal auch nett da. Die Aufwertung der Gärtnerstadt, der neue ERBA-Park, viele tolle neue Freizeit-Projekte, Wander- und Fahrradwege im Umland, die ja auch von den Einheimischen gerne wahrgenommen werden, sind hier nur einige Beispiele positiver Ansätze, auf denen wir aufbauen können.

    Wie mir schon der Redakteur des Beitrags geschrieben hat: Letztlich wollen wir doch alle dasselbe, nämlich dass unser Bamberg lebenswert bleibt – für Bewohner und Besucher. Über den richtigen Weg dahin lässt es sich sicherlich trefflich streiten, aber dazu kann eine solche Diskussion ja auch gut sein. Wir plädieren nur dafür, dass man keine Gruppe – seien es die, die mehr Leben in der Altstadt wollen oder die, die es gerne ein wenig ruhiger haben, oder eben die Gäste unserer Stadt – einseitig diskriminiert und die öffentliche Meinung diesbezüglich beeinflusst wird, dass wir irgendwann als nicht mehr gastfreundliche, ja „Fremden“-feindliche Stadt da stehen, „Fremde“ im weitesten Sinne des altmodischen „Fremdenverkehrs“.

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