Mittwoch, 10. Dezember 2014 (16:30)
Offener Dialog zur Tourismusgesinnung
Nachbericht zur Veranstaltung am 14. November 2014 „Was gehen mich die Gäste an – Lebensqualität und Tourismus in Bamberg“
Wer nicht dabei war, hat eine äußerst lebendige Veranstaltung verpasst, mit vielen guten Ideen und bedenkenswerten Gedanken, einem offenen Austausch, fairem Miteinander und kurzweiliger Unterhaltung. Dank Mäc Härder wurde sogar etwas für die Fitness der Teilnehmenden getan.
Angesichts des vollen Tagungssaals war zu erkennen, auf welch großes Interesse das Thema stößt. Toll war, dass auch zahlreiche „normale“ Bürger der Einladung gefolgt waren und sich in die Diskussion mit einbrachten.
Ich habe ein paar Gedanken mit notiert, die mir wichtig erschienen und möchte diese hier in der gebotenen Kürze darlegen. Dass der Eintrag trotzdem ein bisschen länger geraten ist, sei mir verziehen, dabei habe ich doch schon auf die herrlich illustrative Spiegelsaalgeschichte verzichtet. Wer nach der Lektüre dieses Beitrags auch die noch hören will, schreibe mir einen entsprechenden Kommentar, ich verspreche, dass ich sie dann im nächsten Beitrag nacherzähle.
Zur Illustration gibt’s hier den Vortrag von Sebastian Gries, Kohl & Partner, als pdf, aber es ist nicht alles drin, was er gesagt hat, deswegen jetzt rasch die Gedanken, die ich mir notiert hatte:
Wie bei so vielen Dingen ist auch der Tourismus mit zwei Seiten derselben Medaille ausgestattet. Die einen freuen sich über die positive Entwicklung der letzten Jahre und das lebendige Stadtbild, die anderen stehen dieser Entwicklung eher ambivalent gegenüber und fürchten negative Effekte eines regelrechten Ansturms an Gästen.
In seinem Vortrag ging Sebastian Gries auf diese Ambivalenz ein und geht der Entstehung einer kritischen Haltung auf den Grund und bringt Ansätze, wie man diesem entgegenwirken könnte.
Das Schwierige am Tourismus ist, dass man letztlich seine Heimat mit Fremden teilen muss. Und beim Aufeinandertreffen von Gästen und Einheimischen treffen Urlaubslaune und Freizeit auf Alltag, Hektik, Berufs- und Sozialstress. Aber genau das Aufeinandertreffen von Gästen und Einheimischen ist Teil des Urlaubserlebnisses.
Gries stellte auch einmal die unterschiedlichen Wahrnehmungen der Statistik gegenüber. So ging zum Beispiel ein Raunen durch das Publikum, als er die häufig als omnipräsent empfundenen Flusskreuzfahrer mit nur 1,4 % des gesamten Aufkommens an Tagesgästen bezifferte. Als die Flusskreuzfahrer später am Vormittag einigen anderen Gruppen gegenüber gestellt wurden, die regelmäßig durch ihr Auftreten das Missfallen einiger Bürger erregen, fielen diese auf einmal gar nicht mehr ins Gewicht.
Zwei interessante Erläuterungen zu den Statistiken des TKS zum Wirtschaftsfaktor Tourismus:
– Von den gemäß aktueller Statistik genannten 6,3 Mio. Tagesbesuchern kommen geschätzt 60% aus einem Umkreis von bis zu 50 km, sind also im landläufigen Sinn gar keine Touristen, sondern Besucher aus dem Umland.
– 2/3 aller Aufträge touristischer Leistungsträger (also vom touristischen Umsatz generiert) gehen an Handwerker und Zulieferer aus einem Umkreis von 90 km, 1/4 sogar innerhalb 15 km.
– Bis zu 4.800 Personen in Bamberg beziehen direkt und indirekt ihren Lebensunterhalt aus dem Tourismus.
Zahlen und Fakten zum Verständnis der Bedeutung des Tourismus werden jedoch, so Gries, von der linken Gehirnhälfte verarbeitet, Emotionen hingegen sind in der rechten Hirnhälfte verankert. Tourismusgesinnung hat also was mit Gefühlen und Bauchgefühl zu tun.
Mittlerweile ist die Einstellung der Einheimischen zu ihren Gästen aber auch ein Wettbewerbsfaktor geworden, denn man spürt die Einstellung der Bürger zu ihren Gästen. Die Hardware (Hotels, Restaurants usw.) werden immer austauschbarer, die Software der Emotionen und Begegnungen wird zunehmend wichtiger.
Tourismusgesinnung ist also eine reine Einstellungssache. Es liegt an jedem Einzelnen von uns, die Welt so zu sehen, wie er sie sich wünscht.
1. Der Mensch ist, was er denkt
2. Was der Mensch denkt, strahlt er aus
3. Was der Mensch ausstrahlt, zieht er an.
Der erste Ansatzpunkte zur Verbesserung der Tourismusgesinnung ist die Kommunikation! Touristiker, Kommunalpolitiker und Bürger müssen wieder mehr miteinander reden!
Die im Tourismus Tätigen müssen sich bewusst werden, dass sie und ihre Arbeit in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit stehen. Eigentlich ist Tourismus ein Querschnittswirtschaftszweig, wie jeder andere. Aber er ist deutlich präsenter als die meisten anderen. Gefordert ist daher eine Bewusstseinsförderung. Gefragt sind hier auch die vielen Leistungsträger, die sich als Repräsentanten dieses Wirtschaftszweiges wieder verstärkt in die Öffentlichkeit einbringen sollten.
In Bamberg speziell sollte man auf den Stolz der Bürger auf ihre Stadt und das Welterbe setzen und ihnen dies durch individuelle Angebote nur für Bamberger bewusst machen. Identifikation mit dem Welterbe ist wichtig.
Für Bamberg ist statt eines „Weiter wie bisher“ oder eines Schrumpfungsszenarios oder eines rein quantitativen Wachstumsszenarios die vierte Variante der weiteren Entwicklung anzustreben: Das qualitatives Wachstumsszenario. Dabei werden alle gestärkt und die Entwicklung wird am ehesten von der Bevölkerung mitgetragen. Das bedeutet: Weg vom Mittelmaß, vor allem die Stärken stärken, wo Mittelmaß droht, lieber Abstand nehmen und Produkte aufgeben.
Nachhaltigkeit im Tourismus entsteht vor Ort durch
– Miteinander reden
– Zuhören
– Lernen, wieder Bauchgefühle zu äußern
– Die Kraft eines gemeinsamen Leitbildes
Ziel ist die Schaffung des „Lebensraums Bamberg“ im Sinne eines umfassenden Verständnisses für den Raum Bamberg für Einheimische wie Gäste
Der Kabarettist Mäc Härder sorgte nach dem Vortrag für einen kaum zu bremsenden Austausch unter den Zuhörern. Durch permanentes Umsetzen und Befragen des Publikums erreichte er, dass so manche überraschende Erkenntnis zutage trat.
Wichtigste Erkenntnis war, dass alle nach wie vor lieber in Bamberg leben, als hier nur zu Gast zu sein.
Als positive Auswirkungen des Tourismus wurden dabei genannt: Wichtiger Wirtschaftsfaktor, belebte Stadt, vielseitige Kontaktmöglichkeiten
Die negativen Auswirkungen des Tourismus waren: Viele Leute, Die Privatsphäre ist eingeschränkt, die Gelassenheit geht verloren, im Schlenkerla findet man keinen Platz mehr
Einig waren sich auch alle, dass es vor allem seit ca. 5 Jahren extrem geworden sei. Auch bestätigte das Publikum mehrheitlich, dass die Staus nur zu bestimmten Zeiten seien, das Problem aber doch eigentlich irgendwie gelöst werden könne und man deswegen nicht einfach aufhören könne, Werbung für Bamberg zu machen.
Als Lösungsansätze für die „Linie der neuralgischen Punkte zwischen Mai und Oktober samstags zwischen 10 und 16 Uhr, zwischen der Sandstraße und der Obere Brücke“ wurden spontan zusammengetragen:
– Radfahren auf der Unteren Brücke verbieten und andere rücksichtslose Radfahrer einfangen
– Am Kranen Touristengruppen so bündeln, dass man mit dem Rad noch durchkommt
– Gästeführer sollen bei ihren Gästen um Rücksicht für die Belange der Einheimischen werben,
– Am Wochenende kein Parken auf dem Domplatz erlauben.
Als positive Beispiel der Stadtentwicklung trotz vieler Touristen wurden Regensburg und Münster genannt.
Als Resümee des Vormittags kann gelten: Bamberg und seine Bürger und Bürgerinnen muss sich mit der Frage beschäftigen, welches Bild man nach außen trägt. Wie die Tourismusgesinnung bei den Gästen ankommt, das beeinflusst am stärksten die weitere Entwicklung des Tourismus der nächsten Jahre. Daher ist ein permanenter Kommunikationsprozess mit den Einheimischen sehr wichtig.